Richtlinie (EU) 2024/1203

Die Richtlinie (EU) 2024/1203: Neue Weichen im Umweltstrafrecht und ihre Folgen für Unternehmen

29. Juli 2025

Einführung: Umweltstrafrecht auf europäischer Grundlage

Mit der Richtlinie (EU) 2024/1203 hat die Europäische Union einen bedeutenden Schritt zur Stärkung des Umweltstrafrechts getan. Ziel der neuen Regelung ist es, Umweltkriminalität wirksam zu bekämpfen, EU-weit zu harmonisieren und durch hohe Strafandrohungen abzuschrecken. Für Unternehmen bedeutet das: neue Risiken, erweiterte Pflichten – und akuten Handlungsbedarf im Bereich der Compliance.

Was regelt die Richtlinie (EU) 2024/1203?

Die EU-Umweltstrafrechtsrichtlinie 2024/1203, in Kraft seit Mai 2024, ersetzt die bisherige Richtlinie 2008/99/EG vollständig. Sie enthält:

  • Einen deutlich erweiterten Katalog an Umweltstraftaten (von 9 auf über 20 Tatbestände),
  • Strafrahmen für natürliche Personen (bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe),
  • Spezielle Sanktionen gegen Unternehmen, u. a. Geldstrafen bis zu 5 % des Jahresumsatzes oder 40 Mio. €,
  • Einführung sogenannter qualifizierter Straftatbestände bei großflächigen Umweltzerstörungen (vergleichbar mit einem „Ökozid“-Tatbestand),
  • Maßnahmen zur Förderung der grenzüberschreitenden Strafverfolgung und zur besseren Durchsetzung des Umweltrechts.

Die Richtlinie muss von den EU-Mitgliedstaaten – also auch von Deutschland – bis 21. Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.

Neue Straftatbestände im Umweltstrafrecht

Zu den neu eingeführten bzw. verschärften Straftatbeständen zählen insbesondere:

  • Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen,
  • Illegales Schiffsrecycling (Beaching),
  • Verstöße gegen das Chemikalienrecht (z. B. REACH, POP),
  • Umweltschäden durch illegale Wasserentnahme oder Luftverschmutzung,
  • Verstöße im Bereich Treibhausgasemissionen,
  • Verletzungen artenschutzrechtlicher Vorschriften (z. B. Handel mit geschützten Arten),
  • Umfassende Umweltzerstörung mit „irreversibler Schädigung“ großer Ökosysteme (qualifizierter Tatbestand mit hohem Strafmaß).

Auch der Missbrauch behördlicher Genehmigungen wird strafbar: Liegt eine offensichtlich rechtswidrige Genehmigung vor, schützt sie nicht mehr vor Strafverfolgung – eine fundamentale Abkehr vom bisherigen deutschen Grundsatz der verwaltungsrechtlichen Akzessorietät.

Strafrahmen: Geldstrafen, Haft, Unternehmensauflösung?

Ein zentrales Novum der Richtlinie (EU) 2024/1203 ist der verbindliche Sanktionsrahmen:

  • Für natürliche Personen: Je nach Schweregrad drohen bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe, bei Todesfolge sogar mindestens 10 Jahre.
  • Für Unternehmen: Geldstrafen von mindestens
    3 % des weltweiten Jahresumsatzes oder 24 Mio. € bei „normalen“ Verstößen,
    5 % oder 40 Mio. € bei qualifizierten Straftaten.

Zusätzlich können Gerichte u. a. anordnen:

  • Wiederherstellung geschädigter Umweltbereiche,
  • Ausschluss von öffentlichen Vergaben oder Fördermitteln,
  • Entzug von Betriebserlaubnissen oder gar
  • gerichtliche Auflösung des Unternehmens.

Damit wird das Umweltstrafrecht 2024/1203 zu einem echten Risikofaktor für Unternehmensführungen und Aufsichtsgremien.

Bedeutung für Unternehmen: Compliance als Präventionsmaßnahme

Die verschärften Regeln verlangen von Unternehmen deutlich mehr Eigenverantwortung. Eine funktionierende Compliance-Struktur wird künftig nicht nur präventiv, sondern auch sanktionsmindernd oder haftungsvermeidend relevant.

Empfehlungen für Unternehmen:

  1. Risikoanalyse erweitern: Identifizieren Sie umweltrelevante Tätigkeitsbereiche (z. B. Abfallentsorgung, Emissionen, Gefahrstoffe).
  2. Compliance-Management-System (CMS) aktualisieren: Ergänzen Sie umweltbezogene Vorgaben in Ihr CMS. Die Integration mit ISO 14001 oder EMAS kann ein effektives Signal sein.
  3. Schulungen und Awareness-Maßnahmen: Sensibilisieren Sie Mitarbeitende für neue Umweltstrafnormen und Haftungsrisiken.
  4. Dokumentation und Nachverfolgbarkeit: Lückenlose Dokumentation ist essenziell für Exkulpation im Fall einer Umweltstraftat.
  5. Whistleblowing und Hinweisgeberschutz: Fördern Sie interne Meldesysteme für umweltrelevantes Fehlverhalten.

Viele Unternehmen haben Umwelt-Compliance bislang unter dem Radar geführt. Mit der Richtlinie 2024/1203 wird sie zur Pflichtaufgabe der Unternehmensleitung.

Umsetzung in Deutschland: Was kommt auf das nationale Recht zu?

Deutschland muss nun das Strafrecht, das Ordnungswidrigkeitenrecht und verwaltungsrechtliche Regelungen anpassen. Es ist u. a. zu erwarten:

  • Erweiterung von § 330 StGB (Umweltstraftaten) um neue Delikte,
  • Anpassung der §§ 30, 130 OWiG oder Schaffung eines neuen Unternehmensstrafrechts zur Erhebung von Geldbußen oberhalb der bisherigen 10-Mio.-Grenze,
  • Korrektur der verwaltungsrechtlichen Genehmigungswirkung (z. B. § 44 VwVfG),
  • Einführung eines neuen Straftatbestands für Umweltzerstörung, analog zum „Ökozid“-Begriff.

Wie der Gesetzgeber diese Umstellungen konkret vornimmt, wird in den nächsten Monaten politisch und rechtlich intensiv diskutiert.

Fazit: Compliance muss Umweltstrafrecht neu denken

Mit der Richtlinie (EU) 2024/1203 setzt die EU klare Signale: Umweltkriminalität soll konsequent verfolgt und Unternehmen stärker in die Verantwortung genommen werden. Für Compliance-Verantwortliche bedeutet das eine strategische Neuausrichtung. Die Verbindung von Umweltstrafrecht und unternehmerischer Compliance ist keine Option mehr – sie ist notwendige Verteidigungslinie gegen existenzielle Risiken.

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Dr. Andreas Grözinger ist Partner der auf Wirtschaftsstrafrecht & Compliance spezialisierten Kanzlei Gercke Wollschläger PartG mbB.

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